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Das Schloss Lenzburg oberhalb der Altstadt von Lenzburg im Schweizer Kanton Aargau zählt zu den ältesten und bedeutendsten Höhenburgen der Schweiz. Die Anlage steht auf dem 504 Meter hohen Schlossberg, einem fast kreisrunden Molassehügel, der sich rund hundert Meter über der Ebene erhebt, jedoch nur einen Durchmesser von etwa 250 Metern besitzt. Die ältesten Teile stammen aus dem 11. Jahrhundert, als die Grafen von Lenzburg ihren Stammsitz errichten liessen. Danach war das Schloss im Besitz der Staufer, Kyburger und Habsburger, diente über 350 Jahre lang als Sitz der Berner Landvögte und gelangte dann in Privatbesitz. 1956 verkaufte die Witwe des Polarforschers Lincoln Ellsworth das Schloss dem Kanton Aargau. Seit 1987 beherbergt das Schloss das Historische Museum des Kantons Aargau (seit 2007 Museum Aargau).
Der markante Schlosshügel diente schon in prähistorischer Zeit als Siedlungsstätte. So wurde 1959 beim Parkplatz am Nordfuss des Schlossbergs ein Gräberfeld aus der Jungsteinzeit ausgegraben. Weitere Kleinfunde stammen von den Römern und den Alemannen.
Eine Sage erzählt, dass in einer Höhle auf dem Schlossberg einst ein Drache hauste. Dieser wurde von zwei Rittern, Wolfram und Guntram, bezwungen. Die dankbaren Bauern erkoren die beiden zu Grafen von Lenzburg und gaben ihnen die Erlaubnis, auf dem Drachenfelsen eine Burg zu errichten.
Eine Urkunde aus dem Jahr 1036 nennt einen Ulrich, Graf im Aargau. Er war Reichsvogt von Zürich sowie Kastvogt der Abteien Beromünster und Schänis. Die erste gesicherte Erkenntnis über die Existenz einer Burg stammt aus dem Jahr 1077: Ulrich, ein Enkel des oben Genannten, hatte sich im Investiturstreit auf die Seite des deutschen Kaisers gestellt und hielt während eines halben Jahres zwei päpstliche Legaten fest. Die Grafen von Lenzburg gehörten zu jener Zeit zu den bedeutendsten Lehnsherren im schweizerischen Mittelland und unterhielten enge Beziehungen zu den jeweiligen deutschen Kaisern.
Das Adelsgeschlecht erlosch 1173. Ulrich IV., der letzte Graf von Lenzburg, bestimmte in seinem Testament Kaiser Barbarossa zum persönlichen Erben; beide waren einst gemeinsam in den Zweiten Kreuzzug gezogen. Der Kaiser regelte auf Schloss Lenzburg persönlich die Verteilung des Erbes und vergab einen Grossteil der Ländereien an seinen Sohn, den Pfalzgrafen Otto I. von Burgund. Doch nach dessen Tod im Jahr 1200 wurden die Staufer aus dem Aargau verdrängt. Über zwei nahe stehende Hochadelsgeschlechter (Andechs-Meranien und Chalon) gelangte die Lenzburg um 1230 durch Heirat an die Kyburger. Diese gründeten damals am westlichen Fuss des Schlossbergs eine befestigte Marktsiedlung, die heutige Stadt Lenzburg.
Hartmann, der letzte Graf von Kyburg, starb 1264 ohne männliche Nachkommen. Rudolf I., Graf von Habsburg und späterer deutscher König, nahm die Erbin Anna von Kyburg unter seine Obhut. Diese heiratete später Eberhard I. von Habsburg-Laufenburg. Rudolf erwarb 1273 den Besitz von seinem verarmten Verwandten und hielt 1275 einen Hoftag ab. Das Schloss sank dann jedoch zu einem regionalen Verwaltungssitz ab, als die Macht der Habsburger sich immer mehr nach Österreich verlagerte. Am 20. August 1306 erhielt Lenzburg von Herzog Friedrich dem Schönen das Stadtrecht. Herzog Friedrich II. von Tirol-Österreich bewohnte ab 1339 das Schloss. Hier sollte seine Hochzeit mit einer Tochter des englischen Königs Edward III. stattfinden. Zu diesem Zweck liess er das Ritterhaus errichten. Der Herzog starb 1344, ohne dass er seine zukünftige Braut je gesehen hätte, die Arbeiten am Ritterhaus blieben unvollendet. Ab 1369 besass die Familie Schultheiss-Ribi das Burglehen. 1375 hielt das Schloss einer Belagerung durch die Gugler stand.
Die latenten Spannungen zwischen dem deutschen König Sigmund und dem österreichischen Herzog Friedrich IV. entluden sich 1415 am Konzil von Konstanz, als Friedrich einem der drei damals amtierenden Päpste, Johannes XXIII., zur Flucht aus der Stadt verhalf. Sigmund sah darin eine Chance, seinem Widersacher zu schaden. Er forderte die Nachbarn der Habsburger auf, deren Ländereien im Namen des Reiches einzunehmen. Bern liess sich nicht lange bitten und eroberte den westlichen Teil des Aargaus.
Am 20. April ergab sich die Stadt Lenzburg sofort dem anrückenden Heer, das Schloss hingegen blieb vorerst unangetastet. Konrad von Weinsberg, der königliche Statthalter, versuchte das Schloss für das Reich zu sichern und liess es für eine Belagerung ausrüsten. Doch bereits im August sah er von diesem aussichtslosen Plan ab und überantwortete dann das Schloss 1418 wieder der Familie Schultheiss. Nach langen Verhandlungen konnte Bern 1433 die niederen Herrschaftsrechte über die Grafschaft Lenzburg und 1442 schliesslich das Schloss erwerben.
1444 zog auf dem Schloss der erste bernische Landvogt ein, der von hier aus das Oberamt Lenzburg verwaltete. Zum Aufgabenbereich der Landvögte gehörten das Eintreiben von Steuern, die Durchsetzung administrativer Massnahmen, richterliche und polizeiliche Befugnisse und die militärische Befehlsgewalt, daneben waren sie auch für den Unterhalt des Schlosses verantwortlich. Die Landvögte wurden jeweils für vier Jahre aus den Reihen des Rates der Stadt Bern gewählt. Der bekannteste war von 1457 bis 1461 Adrian I. von Bubenberg, späterer Schultheiss von Bern und Held der Schlacht bei Murten.
Vogelperspektive im Jahr 1624
Festungsprojekt von 1628
Von 1509 bis 1510 wurden umfangreiche Arbeiten durchgeführt, so wurde das 1339 begonnene Ritterhaus zum Teil abgebrochen und neu errichtet. 1518 wütete ein Grossbrand, wobei nicht überliefert ist, welche Häuser dabei zerstört wurden (am wahrscheinlichsten das "Arburghaus" auf der Nordseite). 1520 erhielt der Landvogt eine neue Behausung, die "Landvogtei". Während des Zweiten Kappelerkriegs im Jahr 1531 diente das Schloss als Operationsbasis der Reformierten.
Landvogt Joseph Plepp zeichnete 1624 die ersten exakten Darstellungen und Grundrisse des Schlosses, welches damals eher einem befestigten Bauernhof glich. Seine Pläne dienten als Grundlage für den geplanten Ausbau zu einer Festung. Als erste Massnahme baute man 1625 an der Nordseite eine vorgelagerte Doppeltor-Anlage mit Zwinger, die Erdaufschüttungen an der Ost- und Südseite wurden erhöht. Von 1642 bis 1646 wurde ein elf Meter hoher Wall aufgeschüttet, dadurch entstand die Ostbastion. Die übrigen Projekte liess man aber wegen Geldmangels fallen. Die Ostbastion hatte aber einen grossen Nachteil: Regenwasser sickerte durch die angrenzenden Mauern und machte die Landvogtei wegen ständiger Feuchtigkeit unbewohnbar. Aus diesem Grund entstand zwischen 1672 und 1674 eine neue Landvogtei im Nordtrakt.
Während des 18. Jahrhunderts bauten die Berner das Schloss zu einem grossen Kornlager aus. Zu diesem Zweck verband man die einzeln stehenden Häuser miteinander und höhlte sie teilweise aus. Dadurch konnten über 5000 Tonnen Getreide gelagert werden. Im März 1798 übergab Viktor von Wattenwyl, der 71. und letzte Landvogt, das Schloss den anrückenden französischen Truppen.
1803 wurde der Kanton Aargau gegründet und ein Jahr später ging das Schloss in seinen Besitz über. Die Kantonsbehörden waren unschlüssig, wie das Schloss genutzt werden sollte und so stand es fast zwanzig Jahre lang leer. Eine Verwendung für Regierungszwecke kam für dieses Symbol der Untertanenherrschaft nicht in Frage. Schliesslich zeigte der in Hofwil wirkende Pädagoge Christian Lippe Interesse. Er pachtete das Schloss und eröffnete 1822 ein nach den Grundsätzen von Johann Heinrich Pestalozzi geführtes Erziehungsinstitut. Während seiner Blütezeit zählte es 50 Schüler und 12 Lehrer, vor allem Söhne vornehmer Fabrikantenfamilien aus Basel und dem Elsass erhielten hier ihre Ausbildung. Als Schulgebäude diente das "Hintere Haus", die Lehrer wohnten in der Landvogtei. 1853 musste das Institut aufgrund einer schweren Erkrankung Lippes geschlossen werden.
Der Kanton verkaufte 1860 das Schloss für 60000 Franken an Konrad Pestalozzi-Scotchburn aus Zürich, über diesen Besitzer ist wenig bekannt. 1872 gelangte das Schloss für 90000 Franken in den Besitz von Friedrich Wilhelm Wedekind. Dieser war nach dem Scheitern der Märzrevolution 1849 nach San Francisco ausgewandert, wo er mit Grundstückspekulation während des kalifornischen Goldrauschs ein bedeutendes Vermögen erwarb. 1864 nach Europa zurückgekehrt, emigrierte er aus Protest gegen das von Preussen dominierte Deutsche Reich erneut, nun in die Schweiz, und liess sich im Schloss nieder. Seine sechs Kinder, darunter die spätere Kammersängerin Erika Wedekind und die Schriftsteller Frank Wedekind und Donald Wedekind, verbrachten hier ihre Jugendjahre.
Um die Erbteilung zu ermöglichen verkaufte die Familie Wedekind 1893 das Schloss für 120000 Franken an den US-Amerikaner August Edward Jessup. Dieser Industrielle stammte aus Philadelphia, hatte aber lange Zeit in England gelebt. Er war mit Mildred Marion Bowes-Lyon verheiratet, der Tante von Königinmutter Elizabeth Bowes-Lyon; somit war er mit dem britischen Königshaus verschwägert. Unter Jessups Leitung wurde das Schloss einer umfassenden Sanierung unterzogen und durch Rückbau der neueren Anbauten und der militärischen Anlagen zu einem guten Teil in den mittelalterlichen Zustand zurückversetzt. Darüber hinaus liess er die Innenräume mit kostbaren Möbeln ausstatten und moderne Technik wie Zentralheizung, Wasseranschluss und Elektrizität installieren. Die Kosten von einer halben Million Franken bestritt er aus seinem Privatvermögen.
Ein anderer amerikanischer Grossindustrieller und Sammler mittelalterlicher Kunst, James Ellsworth, hatte in Erfahrung gebracht, dass sich auf Schloss Lenzburg ein Tisch aus der Zeit von Kaiser Barbarossa befinde, den er seiner Sammlung hinzufügen wollte. Er konnte den Tisch allerdings nur mit dem ganzen Schloss zusammen erwerben. So wechselte die Lenzburg im Jahr 1911 für 550000 Franken den Besitzer. Sein Sohn, der Polarforscher Lincoln Ellsworth, erbte das Schloss 1925, lebte hier aber nur zeitweilig.
Nach Lincoln Ellsworths Tod im Jahr 1951 fiel der Besitz an seine Witwe Marie Louise Ellsworth-Ulmer. 1956 verkaufte sie das Schloss mitsamt der Inneneinrichtung für 500000 Franken an eine von der Stadt Lenzburg und dem Kanton Aargau gegründete Stiftung. Somit konnte die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 1960 wurde die kulturelle Stiftung Stapferhaus Lenzburg gegründet, die in das "Hintere Haus" einzog. Zwischen 1978 und 1986 wurde das Schloss erneut einer Gesamtsanierung unterzogen und im Südwestteil des Schlossgeländes entstand eine Gartenanlage im französischen Stil. 1987 verlegte der Kanton seine umfangreichen kulturgeschichtlichen Sammlungen hierher und eröffnete das Historische Museum (seit 2007 Museum Aargau). Ab 2009 wird die Ausstellung schrittweise erneuert.
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