Festung Mainz
Stefan Dumont aus der deutschsprachigen Wikipedia [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], vom Wikimedia Commons
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Als Festung Mainz werden eine Reihe von Festungswerken in der Zeit von 1619 bis 1918 um die Garnisonsstadt Mainz bezeichnet. Die Anwesenheit von Militär und die weitläufigen Festungsanlagen prägten das Leben der Mainzer Bevölkerung insbesondere zu der Zeit als Bundesfestung und Reichsfestung stark. Noch heute sind viele Festungswerke und Kasernen in Mainz erhalten. Zahlreiche Straßennamen verweisen auf die Vergangenheit als Festungsstadt. Die Mainzer Zitadelle, der wichtigste Überrest der Festungszeit, gilt als eines der bedeutenden historischen Bauwerke in Mainz.

Die ersten neuzeitlichen Befestigungsanlagen ließ um 1619 der Mainzer Kurfürst Johann Schweikhard von Kronberg errichten. Die mittelalterliche Stadtmauer von Mainz wurde an den wichtigsten Punkten mit Wällen befestigt und verstärkt; außerdem lässt der Kurfürst auch den strategisch äußerst wichtigen Jakobsberg, am Rande der Stadt gelegen, zur „Schweickhardtsburg“ ausbauen. Allerdings hatte der Kurstaat keine Mittel, um die notwendige Anzahl an Soldaten aufzubringen, die für eine angemessene Verteidigung gesorgt hätten. Daher konnte am 23. Dezember 1631 auch der schwedische König Gustav Adolf ungehindert in die Stadt einziehen. In der Schwedenzeit, die bis zum Januar 1636 andauern sollte, wurden die vorhanden Befestigungsanlagen verstärkt. An der Mainmündung wurde sogar ein Sperrfort mit dem Namen Gustavsburg angelegt.

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges baute Kurfürst Johann Philipp von Schönborn Mainz zur Festung aus. So wurden zwischen 1655 und 1675 an die 16 Bastionen errichtet, die einen sternförmigen Gürtel um Mainz bildeten; Als Festungskommandantur diente die Zitadelle, die auf dem Jakobsberg errichtet wurde und die „Schweickhardtsburg“ ersetzte.

Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurde die 1688 von den Franzosen unter Louis-François de Boufflers besetzte Festung durch Truppen der Augsburger Allianz von Juni bis September 1689 belagert und zurückerobert.

Von 1710 bis 1730 ließ Kurfürst Lothar Franz von Schönborn den Festungsbaumeister Johann Maximilian von Welsch einen zweiten Festungsring um die Stadt errichten, der aus fünf weit vorgeschobenen Forts (auch Schanzen genannt) bestand. Darunter Fort Hauptstein vor dem Münstertor, die Karlsschanze vor dem Neutor und die Josephsschanze auf dem Linsenberg. Diese waren durch einen weiteren Wall miteinander verbunden und konnten im Kriegsfall durch einen unterirdischen Gang vom ersten Festungsring aus mit Soldaten besetzt werden.

In den Jahren 1733 und 1734 ließ Kurfürst Philipp Karl von Eltz-Kempenich zu diesen großen drei Außenwerken in derselben Linie die Forts Welsch, Elisabeth und Philipp anlegen, außerdem ein doppeltes Zangenwerk (double tenaille), die ganze Enveloppe, Verbindungswege zu den Forts und eine Kurtine zwischen den Batterien und Rondells am Rheinufer. Welsch wurde dabei vom Ingenieur-Oberstleutnant Luttig, Ingenieur-Oberst Gerhard Cornelius von Walrave und weiteren Ingenieursoffizieren unterstützt.[1]

Weil es an Geld für eine ausreichende Garnison fehlte, wurde die Festung Mainz 1792 in den Revolutionskriegen den Franzosen kampflos übergeben. Mit der Belagerung von Mainz (1793) musste die Festung von den deutschen Truppen wieder mühevoll zurückerobert werden. Nur ein paar Jahre später kam Mainz mit dem Frieden von Campo Formio dauerhaft an Frankreich. Mayence, wie Mainz nun hieß, wurde unter Napoleon zur wichtigsten Festung am Rhein, der neuen Ostgrenze Frankreichs. Das bekam die Stadt in den Endtagen Napoleons auf besonders schlimme Art und Weise zu spüren: Beim Rückzug der Grande Armée im Herbst 1813 war Mainz die erste Rast auf französischem Boden. Viele Soldaten waren bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Fleckfieber infiziert und rasch konnte sich der „Typhus de Mayence“ in den engen Gassen von Mainz ausbreiten. Seit Anfang Januar 1814 hatten russische und preußische Truppen, später das Deutsche Bundeskorps unter Herzog Ernst von Sachsen-Coburg die Festung blockiert. Als sie am 4. Mai 1814 kapitulierte, war von den 30.000 eingeschlossenen Soldaten nur noch die Hälfte am Leben.

Bei der Neuordnung Deutschlands durch den Wiener Kongress kamen die Stadt Mainz und das Umland als Bundesfestung zum Großherzogtum Hessen. Am 30. Juni 1816 wurde der entsprechende Vertrag unterzeichnet. Die Friedensbesatzung des Bundesheeres in Mainz betrug etwa 7.000 Mann, die im Verteidigungsstand auf 20.000 Mann gebracht werden sollte. Stationiert waren hier zu gleichen Teilen Österreicher und Preußen, sowie ein großherzoglich Hessisches Infanterieregiment.

Die deutschen Länder sahen die Festung Mainz nun als wichtiges Bollwerk gegen das im Westen liegende Frankreich an. So wurden große Summen bereitgestellt, um die Festung auszubauen und bestehende Wehranlagen zu modernisieren[2]. Zum Leiter der Geniedirektion wurde Franz Scholl [3] bestimmt. Er entwarf gemeinschaftlich mit anderen Ingenieuren die Pläne, die von der beim Bundestag des Deutschen Bundes in Frankfurt versammelten Militärkommission geprüft und genehmigt wurden. Es begann eine sechsjährige Um- und Ausbauzeit, nach der die Festung dem neuesten realisierbaren Stand der Fortifikationstechnik im Polygonalsystem entsprach. Der ganze südliche und westliche Teil des Landrayons wurde mit Werken mit fester Kasemattierung umgeben, die dem Prinzip des französischen Génie-Offiziers Marc-René de Montalembert („Verteidigung ist stärker als der Angriff“) entsprachen. Die Forderungen waren: möglichst einfache Grundrisse, Unterteilung der Gesamtanlage in verteidigungsfähige Unterabschnitte, solide Rückzugsräume (Reduits) im Kernbau, bombensichere Hohlbauten - Kasemattierungen - für die Besatzung und das Kriegsmaterial. Große Truppeneinheiten sollten in den befestigten Lagern aufgenommen werden und sich verteidigen können. In einer zweiten Befestigungsphase (1841–1848) wurde die neue Befestigungsart konsequent weiter umgesetzt. So wurde 1845 ein Turmfort auf der Petersaue errichtet.[4] Im Gegensatz zur „Neupreußischen Befestigungsmanier“ , die in hohen, über der Erde erhabenen Türmen ausgeführt wurde und zum Beispiel mit der Festung Ehrenbreitstein realisiert wurde, setzten die Österreicher um Mainz zum ersten Mal Werke ein, die in die Erde versenkt wurden.[5]

Zusätzlich dazu wurde Mainz nun mit einer ständigen Garnison versehen, die von Preußen und Österreich gestellt wurde. Zum Vertreter Österreichs wurde unter anderem 1841 der fränkische Carl Graf zu Castell-Castell ernannt, der als Hauptmann in der k.u.k. Armee diente. In dieser Zeit wurden auch viele Neubauten errichtet, die noch heute vorhanden sind: zum Beispiel das Fort Weisenau im Volkspark, das Proviantmagazin am Schillerplatz, das Fort Josef, von dem ein großer Teil neben den Unikliniken erhalten ist (es beherbergt heute eine private Sammlung historischer Uniformen) oder das Fort Bingen, von dem eine Kasematte noch auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erhalten ist. Das Fort Bingen gehörte neben dem Fort Mariaborn, dem Fort Josef und dem Fort Gonsenheim zu einem dritten Festungsring, der um Mainz gezogen wurde.

Maximilian Schumann führte 1866 auf dem Artillerieschießplatz der Festung auf dem Großen Sand Versuche gegen einen von ihm gepanzerten mobilen Geschützstand mit einer Minimalschartenlafette mit Eisenplattenbedeckung durch. Die Versuche wurden nie beendet, obwohl sie durchaus erfolgversprechend waren, da der Deutsche Krieg sie unterbrach und gerieten später in Vergessenheit. Auf der Bastion Drusus der Zitadelle wurde ein Schumannscher Panzerstand realisiert. Davon ist heute aber nichts mehr erhalten.

Während des Preußisch-Österreichischen Kriegs (erwähnt 20. Juli bis 26. August 1866) war der königlich bayerische Generalmajor Ludwig Graf von Rechberg und Rothenlöwen Militär-Gouverneur der jetzt hessischen Festung, bevor sie an die Preußen übergeben wurde. Zu seinem Generalstab gehörte der hessische Generalmajor Friedrich von Specht (1803–1879).

Nach dem Krieg von 1866 wurde Mainz erst preußische Festung, um dann sieben Jahre später Festung des Deutschen Reiches zu werden. Zu diesem Zeitpunkt hinkte Mainz der industriellen Entwicklung hinterher: Die Befestigungswerke und militärisch freigehaltenen Flächen verhinderten ein Ansiedeln von modernen Fabriken und Industrieanlagen, hinzu kam die starke Begrenzung des Mainzer Stadtgebietes aufgrund des Befestigungsringes. 1872 wurde dann die lang ersehnte Neustadterweiterung von den Festungsbehörden genehmigt: Den nördlichen, schönborn’schen Bastionsgürtel riss man ab – auf ihm entstand die Kaiserstraße. Um die Mainzer Neustadt herum errichtete man allerdings wieder einen Wall. Diesen "Rheingauwall" musste die Stadt Mainz bezahlen. 1873 wurde die Armee-Konservenfabrik zur Versorgung der Truppen mit Einsatzverpflegung erbaut.

Als letztes großes Werk, welches zur Verstärkung der Festung Mainz erbaut wurde, entstand von 1880-1884 das Fort Biehler auf dem zwischen Kastel und Erbenheim gelegenen Petersberg.

1904 wurde die Stadt als Festung aufgelassen. Auf Order Kaiser Wilhelms II. wurden bis 1912 viele der Festungswerke und Stadttore niedergelegt. Dennoch blieb Mainz noch weiter Festung. Ab 1909 wurden in einem Umkreis von 26 km neue, moderne Bunkerbauten und detachierte Gürtelforts (Außenforts beziehungsweise Biehler-Forts), errichtet, die die veralteten Festungswerke ersetzen sollten, da die Artillerietechnik mittlerweile in der Lage war 16 Kilometer weit zu schießen. Dieser vierte Festungsgürtel, die Selzstellung, zog sich durch die rheinhessischen Ortschaften Heidesheim (Uhlerborn), Wackernheim (Mainzer Berg), Ober-Olm, Klein-Winternheim/Nieder-Olm, Zornheim (Dechenberg), Ebersheim (Auf der Muhl) und Gau-Bischofsheim bis nach Weisenau und bestand aus rund 318 Bunkern.[7] Eine Festungsbahn, genauer ein Munitions- und Versorgungszug von Uhlerborn bis Zornheim, sowie eigens errichtete Militärstraßen sicherten den Nachschub über eigene Wege. Die Finanzierung dieses letzten Festungsgürtels um Mainz geschah aus Reparationsleistungen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871. Allein die Errichtung des Fort Muhl und des Stützpunkts Dechenberg kostete das Kaiserreich 900.000 Reichsmark und damit genauso viel wie die Errichtung der Mainzer Christuskirche. Fort Muhl war auf zwei Etagen mit elektrischem Licht, Ofenheizung und Belüftungsanlage, Verbands- und Operationssaal, Bäckerei und Wasserversorgung für 90 Tage ausgestattet. 291 Soldaten sollten hier operieren.[8]

Eine weitere Verteidigungslinie auf dem Westerberg parallel zum Mainzer Berg wurde von der Militärregierung im Jahr 1916 projektiert. Zunächst wurde eine Trasse von Ingelheim bis zu Schloss Westerhaus gelegt und dann mit dem Bau einer Zahnradbahn begonnen. Ziel war es den Westerberg nach Osten mit Gräben und Fortifikationen gegen französische Truppen zu schützen. Die Bahn wurde zwar fertig gestellt, der Festungsgürtel jedoch nicht, da die Militärs ihre Pläne änderten. Daher wurde die Bahn anschließend wieder demontiert.

Letzter Militär-Gouverneur von Mainz und Festungskommandant war im Jahr 1914 Hugo von Kathen (1855–1932), General der Infanterie und 1937 Namensgeber einer Kaserne zwischen Mainz-Mombach und Mainz-Gonsenheim, das hierzu zwangseingemeindet wurde.

Mit dem Friedensvertrag von Versailles 1918 endet die 300-jährige Geschichte von Mainz als Festungsstadt. Allerdings dienten die zahlreichen unterirdischen Gänge der Festung noch im Zweiten Weltkrieg als Unterschlupf vor Bombenangriffen. Während der Weltkriege diente die Zitadelle als Offizierslager zur Unterbringung von gefangenen Offiziere (Oflag XII-B).

Die Festungsanlagen der Stadt wurden wie auch in Köln zu Grünanlagen des Mainzer Grüngürtels umgewandelt. Die neuen Bunkeranlagen in Rheinhessen wurden in den 1920er Jahren unter Aufsicht der französischen Militärs gesprengt.


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