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TunichtsKnut



  
Verfasst am: 09.04.2013 17:59

Memmenkram

 

"Verflixt und zugenäht!" donnerte das Gebrüll des Freiherrn über das Marktgelände.

Und dann war Stille auf dem Heerlager.

  Nur das Rascheln der Blätter, im nahe gelegenen Hain, konnte man vernehmen. Niemand schien zu atmen. Niemand gab auch nur den kleinsten Laut von sich.

Eine kleine Maus streckte vorsichtig ihren Kopf unter einem Brennholzstapel hervor, lies ihre Barthaare zittern und lugte dabei in die ungewohnte Stille. Leider in die für sie falsche Richtung, denn sie nahm den Holzschuh, der angeflogen kam und sie zermalmte einen Augenblick zu spät wahr. Sie verendete mit einem leisen Quieken.

Damit schien der Bann, der nur wenige Sekunden andauerte, gebrochen.

Der Freiherr tanzte vor Schmerz und behielt dabei seinen Finger im Mund. Der kleine Tisch, an dem er bis vor wenigen Augenblicken noch gearbeitet hat glich einem Altar, wie ihn man sich bei unseren Ahnen aus grauer Vorzeit vorstellte. Außer seinem Kettenpanzer, einigen Werkzeugen und Kettenringen schien sich nur Blut auf ihm zu befinden.

Sein Weib, Kristin, lies ihre Handarbeiten fallen, nachdem sie sich aus der Schreckstarre gelöst hatte und eilte ihrem Gatten entgegen, um dem Schaden an seinem Leib zu begutachten und gegebenenfalls zu versorgen. Doch hatte sie keine Möglichkeit sich den schmerzenden Finger ihres Mannes anzusehen, da er sich stets ihren Berührungen entwand, um seinen Tanz fortzuführen.

Es hatte schon …. Charme, unserem Oberhaupt zuzusehen, in dieser Situation. Irgendwo zwischen Lachen und Heulen, Zappeln und cool über den Dingen stehen.

Ein leichtes Grinsen konnte ich mir nicht verbergen.

Bekam dafür auch prompt eine Retourkutsche in Form eines Faustschlags auf das Auge, womit ich mich in den Tanz und das Gewimmer des Freiherrn einreihte. Blut lief mir an der Wange herunter.

Der Recke Sven, weil bis dato unbeteiligt, behielt die Ruhe und den Überblick. Er versuchte zu retten, was zu retten ist um uns nicht gnadenlos dem Gespött des Pöbels, welcher schon in rauen Mengen vor unserem Lager stand, und applaudierte, auszuliefern. Behänd zog er zuerst den Feiherrn und dann mich hinter das Vorratszelt, um uns dort kräftig zur Brust zu nehmen. Er betonte des Öfteren, dass wir hier nicht als Marktnarren beschäftigt seien, und wir wohl dabei wären, den Ruf der gesamten Sippe zu ruinieren. Das war natürlich überhaupt nicht in unserem Interesse, und so besonnen wir uns, dass wir eigentlich das beschauliche Leben im Mittelalter darstellten.

Mittlerweile hatte auch Kristin die Möglichkeit sich die Wunde ihres Gatten anzusehen. Ebenso wie Ann-Katrin, die mir behutsam das Köpfchen streichelte. Wie aus einem Munde erklangen, nach einer flüchtigen Begutachtung, gleichzeitig ihre Diagnosen: „Memmenkram! Das nähen wir fix zu.“  

So schoben sie uns an den Tisch, um uns medizinisch   zu versorgen.

  -Zum Glück ist das ja dem Weibsvolk in die Wiege gelegt-. Zuerst wurde uns also das Blut mit heißem Wasser und einem rauen Tuch abgewaschen und dann die Wunden mit dem Kartoffelschnaps, welchen wir eigentlich in der kommenden Nacht zu saufen gedachten, gereinigt. Das löste bei dem Recken Olaf, der das Feuer bewachte, eine Tirade von Beschimpfungen aus, die jedoch als der Freiherr Anstalten machte sich zu erheben, sofort verstummten. Mit den Nadeln, mit denen sie grade noch die Hemden flickten, stachen sie jetzt in unseren Wunden umher um Futter für den handgedrehten Zwirn zu finden. Wenige Stiche reichten, um das klaffende Fleisch aneinander zu halten. Zum Schluss träufelten sie noch ein Wenig von dem Kartoffelschnaps auf die Wunden. Nicht ein Ton des Schmerzes entglitt unsern Lippen. Jedoch, als die Neige des Kartoffelschnapses ins Vorratszelt verschwinden sollte, meldete sich der Freiherr: „Lasst das Zeug mal hier, unsere Zungen kleben am Gaumen fest!“ Der Tonkrug machte eine kurze Runde und wurde dann, mit der Aufforderung ihn füllen zu lassen, dem Recken Sven übergeben.

Der Freiherr zog mit dem beschuhten Daumen mein zerschlagenes Augenlied hoch, in Richtung Braue. Dann wiederholte er das, von dem Weibsvolk soeben erwähnte, niederschmetternde Wort: „Memmenkram!“

Er zog den Handschuh aus und zeigte mir seine Wunde, die er sich beim Reparieren des Kettenhemdes zugezogen hatte und betonte, dass das zu reparierende Glied seinen Daumennagel, durch das Fleisch, von der Unterseite angekratzt habe, und dass das echte Schmerzen wären.

„Wir haben noch nicht Feierabend!“ tönte es aus dem Mund des Freiherrn, „ziehen wir uns das blutverschmierte Zeug aus, und widmen uns unserem Tagewerk.

Die Traube der Gaffer löste sich auf. Einige applaudierten noch ein letztes Mal und bedankten sich  für das geniale Schauspiel. Das Weibsvolk stellte sich in einer Reihe auf und verbeugte sich vor dem Publikum. Der Freiherr und ich ließen uns Zeit mit dem Umziehen, um uns diese Peinlichkeit zu ersparen.

Der Freiherr und ich standen uns gegenüber und glotzten uns an. „Ich bin euch nicht bös`, “ beteuerte ich, „lasst mich zum Beweis das Kerbholz zahlen, welches wir gleich gemeinsam versaufen werden!“

„Komm mit, geselle dich zu uns!“ Der Freiherr zog Sven, der soeben mit einer gefüllten Flasche Kartoffelschnaps aus der Taverne zurückkam, an der Schulter und betonte, „falls wir noch einmal einen Friedenrichter brauchen!“ Dann ging er zum Lagerfeuer und trat den Recken Olaf derart in den Allerwertesten, dass dieser fast von Sitze fiel: „Du musst ja ausgedörrt sein, wie eine alte Pflaume!“ Der Zorn schien aus dem Gesicht des Recken gewichen zu sein. „Lasst uns gehen, Bier saufen, das Feuer kann auch das Weibsvolk bewachen!“

In einträchtiger Runde saßen wir in der Taverne am Tische und soffen, was der Krüger uns brachte. Kein böses Wort, kein Streit. Nicht einmal eine vernünftige Tavernenschlägerei gab es.

Ein langweiliger Tag…


   
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