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TunichtsKnut



  
Verfasst am: 17.09.2013 17:31

So jung kommen wir nie wieder zusammen…

 

 

Der Kaffee wirkte. Ganz plötzlich und ohne Vorankündigung schien er mir die Blase zerreißen zu wollen.

Da der Markt dieses Wochenende sehr gut besucht war, verbat ich mir den Gedanken mich in die Büsche zu schlagen. Ich hoffte zwar darauf, dass der Besucherstrom nachließ, doch wenn ich mich nicht in Bälde aufmachte, die Stallungen aufzusuchen, würde mir die Peinlichkeit eines Wäschewechsels nicht erspart bleiben.

„Warum guckt ihr denn so verkniffen?“ fragte mich der Recke Olaf, „Ist euch eine Laus über die Leber gelaufen? Kommt, setzt euch zu mir und trinkt ein kühles Kupferfarbendes!“ – „Pulleralarm!“ gab ich zur Antwort, und stand auf. Ich schaute fragend in die Runde, doch bekam ich nur desinteressierte Blicke zur Antwort. „Ich geh jetzt“ rief ich noch kurz auf, kniff den Arsch zusammen und schritt wie eine Marionette in Richtung Latrinen.

Mir war, als hätte ich Scheuklappen aufgesetzt bekommen. Freundliche Tagesgrüße nahm ich gar nicht war, oder kommentierte sie nur mit einem gequälten Lächeln, welches nur den Schmerz in meiner Blase wiedergab.

Ich habe jetzt ungefähr das erste Drittel des Weges geschafft. Wenn ich an dem hölzernen Riesenrad bin, dann habe ich Bergfest, freute ich mich in Gedanken.

„Knut, guck mal! Hier oben!“ erklang eine Kinderstimme. So löste ich meinen starren Blick vom Boden und schaute in die Richtung aus der die Stimme kam. Der Recke Luke saß in einer der Gondeln und winkte. „Was machst du? Wo gehst du hin? Warte auf mich, ich will mit!“ Die Karussellfahrt wollte kein Ende nehmen. Ich  schlurfte fast einen Graben in den Boden und musste mich zurückhalten, dass ich nicht losrenne. Das Karussell stoppte und Luke kam in aller Ruhe aus seiner Gondel geklettert und fing an, auf mich einzureden. Ob ich den gesehen hätte, dass er ..bla bla bla.. Zwar war der Geist willig, doch der Körper zu schwach das erzählt bekommende zu verarbeiten. Ich bückte mich unter Schmerzen zu dem kleinen Recken und sah ihm tief in die Augen. „Ich komme gleich zurück. Ich gehe nur schnell in die Stallungen.“ – „Ich muss auch!“ fiel darauf dem Recken ein. „Ich komme mit!“ zügigen Schrittes, eigentlich einem Kinde unangemessen ging ich also voran. Zwischendurch blickte ich mich um, ob der kleine Mann denn den Schritt mithalten kann. „Warte mal!“ erklang wieder die klare Kinderstimme. Ich blickte mich kurz um. Da stand der Luke und unterhielt sich mit seiner Tante. Ich machte kehrt, grüßte so nett   es meine dringenden Angelegenheiten möglich machten, und betonte erneut, dass ich es eilig hätte. „Ich bleibe hier.“ bekam ich zur Antwort, „Ich muss doch nicht.“ 

Nach der nächsten Kurve erblickte ich das Objekt der Begierde. Alles in meinem Körper schien sich zu verkrampfen. Nur noch wenige Meter und einige Augenblicke, und dann werde ich mich von der Geißel des Harndranges befreit wissen.

Als   sich kurze Zeit später wieder die Tür hinter mir schloss, nahm ich erst richtig wahr, was für ein wundervolles Wetter heute war. Meine Stimmung schlug schlagartig um. Mir ging es gut! Und das wollte ich gern den Leuten bekunden. Ich grüßte in den höchsten Tönen, alle die mir entgegenkamen. Erntete dafür aber höchstens einen mürrischen Blick und ein gequältes Lächeln.

„Alles Arschgeigen!“

 

Der letzte Kaffee schmeckte eh nicht mehr, war mir viel zu bitter. Außerdem neigt das schwarze Gebräu aus dem Orient dazu, dem Genießer vorzugaukeln, sich entleeren zu müssen, obwohl er kaum etwas getrunken hat. Also kam mir der Gedanke, meine Blase mit einem großen, kühlen Kupferfarbenden zu spülen. Aber die frühe Stund ließ mich hadern.

Der freundliche Krüger erahnte wohl, welche Gedanken mich beschäftigten und   stellte mir ungefragt   den überschäumenden Krug vor die Nase. “Wohlbekommt´s!“ Kurz blickte ich den Himmel, murmelte etwas von „Wink des Schicksals und Zeichen Gottes“ in mich hinein und setzte den Krug an. Ich nahm einen langen Zug, wischte mir den Schaum vom Munde und blickte in den Krug. Er war fast bis auf den Boden geleert. „Das gleiche noch mal, bitte!“ bestellte ich ein Weiteres von dem erfrischenden Getränke.

Ich trank den Krug kurz an und blickte in die Runde. Der Freiherr kam mit den Recken Sven und Olaf über den Platz. „Wohin des Weges?“ rief ich. „Zuviel Publikum, “ antwortete der Freiherr, „zur Stallung!“

Ich bestellte, wohlweislich, dass den Recken gleich dürstet, vier köstliche Kupferfarbende und brachte sie an einen im Schatten stehenden Tische, um auf die Freunde zu warten.

Leicht in mich versunken blickte ich in die Richtung, aus der ich meine Freunde erwartete, um ihnen ein Zeichen zu geben, damit sie mich schnell fänden und das erfrischende Gerstenbräu nicht warm werde. Umso mehr erschrak ich mich, als auf einmal eine Hand kräftig auf meine Schulter schlug. Ich blickte mich verdutzt um, und sah in die grinsende Fratze meines Spezies „Jörg von Theesen“.  Sprachlos vor Begeisterung schlug ich ihm ebenfalls auf seine Schulter, jedoch viel vorsichtiger und liebevoller als er es tat. „ Jörg, alter Haudegen! Was treibt euch denn in unsere Gefilde?“ fragte ich ihn scherzhaft. „Seid ihr geschäftlich auf Reisen?“ 

Dazu lasst mich kurz erklären, weit über die Grenzen Theesens ist er und seine Bogenschmiede bekannt, oh nein, berühmt. Und das nicht ohne Grund! Einen Bogen aus seiner Werkstatt sein Eigen nennen zu dürfen, ist schon etwas ganz besonderes! Und so, fährt er gern an den Wochenenden, an denen das Wetter besonders gut ist, und er  reichlich zahlungsfähige Kundschaft erwartet, die schönsten Märkte der Umgebung an.

  Jörg nahm sich einen der Krüge und leerte ihn in einem Zuge. "Wie damals, " lachte er, "mit meinem alten Kumpel Störtebecker!"

Auch der zweite Krug wurde in einer unglaublichen Zeit geleert. Ich sah meinen Spezi ungläubig an. "die Sonne dörrt mich aus, ich bin fast schon vertrocknet!" dann nickte er mir zu, “ Zwei erstklassige Bögen habe ich verkaufen können!“ Er wog den prallen Lederbeutel, den er am Gürtel trug zur Demonstration.

Die Freunde von Crackashardt kamen auf uns zu. Ihre Gesichter wurden ziemlich lang, als sie sahen, dass die Krüge auf dem Tisch leer waren. Jörg ging ihnen ein paar Schritte entgegen und begrüßte sie, in dem er jeden kurz in den Arm nahm. Dann ging er   an den Tresen und hielt dem Wirt eine Schuldverschreibung von nicht unbeträchtlicher Höhe unter die Nase.   "Seid so nett, Recke, sorgt dafür, dass es uns an nichts fehlt. Wir wollen feiern!"

Am Tische wurde getuschelt und verwunderte Blicke wurden getauscht. Keiner von uns hatte eine Ahnung was denn heute gefeiert wird. Was an diesem Tag so besonderes ist.

Beladen mit mehreren Krügen Kupferfarbendem kehrte Recke Jörg zurück  zu uns an den Tisch. Nachdem er abgeladen hatte, führte er wissend seine, vom übergeschwappten Bier, nasse Zeigefingerspitze an seine Nasenspitze, so dass sie eine kleine Schaumkrone zierte: "Freunde! Das Wetter ist herrlich, ich habe gute Bögen gegen gute Taler getauscht!“ er nahm sich einen Krug, stieß mit uns an und soff auch diesen Krug in einem Zuge leer. Bevor er weiterredete zeigte er dem Krüger an, dass wir mehr Bier bräuchten. „ Noch mal“ sagte er und rülpste lautstark, „Freunde! Das Wetter ist herrlich, ich habe gute Bögen gegen gute Taler getauscht und egal, wie häufig wir uns im Leben noch über den Weg laufen, - so jung kommen wir nie wieder zusammen! Wenn das kein Grund zum Feiern ist!“


   
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